Die Richtigmacher

Ach, was sind wir bemüht. Immer auf der Suche nach dem optimalen Zustand des Pferdes. Man will ja, dass es ihm gut geht! Man muss ja aufpassen, weil was, wenn man etwas falsch macht und dann doch irgendwas ist? Also schauen wir hin. Am besten genau, denn Genauigkeit ist ja eine Tugend. Ohne Genauigkeit geht es nicht. Man muss schon korrekt wissen, was man tut und wie es sein sollte. Denn nur so ist es richtig und alles andere ist unverantwortlich – hat irgendwer gesagt, vermutlich ein Mensch.

Es ist fast schon witzig, wie viel man nach Meinung der selbsternannten Profis falsch machen kann. Jedes Organ des Pferdes zieht eine ganze Schar von Optimumsfanatikern hinter sich her: Der Huf! Hufheilpraktiker, Huforthopäden, Hufschmiede… Eisern und ernst wird um DIE Wahrheit gekämpft, wie der Huf zu sein hat. Überall sieht man abgeschnittene Füße von Pferdeleichen, an denen herumgefachsimpelt und geschnitten wird. Alles im Dienste des Pferdes, natürlich! Ohne Huf kein Pferd, das ist ja bekannt!

Das Verdauungssystem hat auch eine ganz eigene Partei. Bekanntlich kommen alle Probleme ja dort heraus. Marktschreierisch werden die Dogmen der Pferdefütterung und die Diagnosen als Folge der Fehlfütterung herausgerufen. Kein Gras! Kein Kraftfutter! Doch Kraftfutter! Gras aber niemals! Keine Fütterungspausen! Aber bloß kein kurzes, äääh langes Gras! Ach so: Pulverchen sind wichtig!!! Obst ist verboten! Das Pferd ist zu fett! Das Pferd ist zu dünn! Niemals zwischen 4:18h und 7:54h aufs Gras, wenn am Vortag der Nebel zu tief lag. Bei Sichtung einer Eichel – Blausäurealarm! Der Darm muss entgiftet werden! Huch, Magengeschwüre! Fruktangehalt! Getreidefrei! Es MUSS dieses teure Zeug sein. Wenn es einem hilft, hilft es allen.

Trainining muss natürlich sein. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir unserem Pferd NICHT vorgäben, wie es sich zu bewegen hat? Sonst fällt es ja völlig zusammen. Jeden Tag 98 Stunden spazieren gehen ist auch wichtig. Am besten durch die Alpen. Danach an der Hand in aus Menschensicht richtige Haltung gezwungen über den Platz in Schlangenlinien. Dann von oben Schulterherein in Anlehnung üben, aber bitte mit Leichtigkeit. Gymnastik am besten vorher vom Boden, man selbst bitteschön auch. Aufpassen: Aufwärmen vor der Einheit. Ist alles wichtig – wie soll das Pferd sonst lernen, sich selbst zu tragen? Schaumstoffmatten, gelbe und blaue Gassen, Wippen, Leinen, Übungen und Gehoppse überall. Alles nur, damit das anscheinend völlig verkümmerte und bewegungsbehinderte Pferd seinen Körper gerade so über die Runden kriegt. Alles mit verkrampft konzentrierten Menschen, die nur eins im Blick, im Fokus haben: Das noch unperfekte Pferd. Was wir dabei übersehen? Das Pferd in seiner Vollkommenheit.

Was, um Himmels Willen, ist uns armen Menschen widerfahren, dass wir uns so sehr am Getier abarbeiten müssen? Dass wir echt meinen, diese ganzen Theorien wären Wahrheiten? Wie kommen wir bloß darauf, bei diesem perfekten Wesen Pferd nicht davon auszugehen, dass sein Zustand richtig ist? Wieso sperren wir es auf kleinen Raum, mit viel zu vielen Zwangsherdenmitgliedern, ohne Möglichkeit, sich sein Futter auszusuchen, nehmen ihnen die Freude an der Bewegung im reizarmen Raum und doktern dann daran herum, bis es völlig abstumpft? Wieso müssen wir dabei auch noch so hart zu uns sein, uns mit anderen Pferdemenschen in die Haare kriegen, sich feindlich gegenüber treten und uns bei anderen einmischen, wenn sie ihr Pferd auf andere Weise drangsalieren, als man selbst?

Kann es eventuell sein, dass die Richtigmacherei der Pferdemenschen und das gegenseitige Diffamieren gepaart mit dem fanatischen Hereinsteigern in den Zustand des Pferdes ein Weg ist, etwas abzuarbeiten? Etwas, was man bei sich selbst vielleicht nicht richtig machen will. Ist es möglich, dass die üble Nachrede und die harschen Urteile über Pferde eigentlich ein Versuch ist, die Urteile über sich selbst lozuwerden?Pferde sind Freiheit. Sie sind Verbundenheit, Liebe und Weisheit. Sie sind für uns da. Sie haben ein Recht darauf, ihre eigenen Leben zu leben. Sie dürfen bestimmen, wie sie leben möchten. Sie dürfen sagen, ob und wie Menschen ihre Körper behandeln sollen. Pferde wissen selbst am besten, was richtig für sie ist. Ganz egal, was andere sagen – wirklich.

Genau dasselbe gilt übrigens auch für dich. Tu‘ deinem Pferd einen Gefallen und lerne, erst bei dir hinzusehen und das für dich Richtige zu tun, bevor du dich an ihm abarbeitest. Du wolltest es doch richtig machen, oder? Dein Pferd wird dir helfen und dazu weiß es nach dir auch noch am besten, was du brauchst. Sprich mit ihm, höre zu und lerne von deinem Pferd. Denn es betrachtet dich immer in deiner Vollkommenheit, in absoluter Liebe. Für dein Pferd bist du nie unperfekt.

Nimm‘ dir ein Beispiel. ❤

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